Corona Gstanzln: Am See steht das Wasser

Bild: SchülerInnen des Wimmer-Gymnasiums Oberschützen beim Online-Unterricht und Singen im Coronajahr 2020.

Liedbiografie:

Erste schriftliche Belege zum Gstanzlsingen (Gasslreime, Trutzliadl, Schnaderhüpfl, Schelmenliadl…) lassen sich ins 18. Jahrhundert zurückverfolgen, aber in ihrer Funktion als Tanz- oder Scherz und Spottlieder hatten sie bereits vorher Tradition.  Gstanzln greifen oft gesellschaftsrelevante Themen auf und verarbeiten diese in knappen zwei Langzeilen oder vier Kurzzeilen. Das Verfassen eigener Texte auf gängige Melodien nennt sich Kontrafraktur- oder Parodieverfahren. Es ist eine musikalische Ausdrucksform, um auf Missstände hinzuweisen und Kritik zu üben. Zahlreiche Gstanzln sind in den Archiven der Volksliedwerke dokumentiert. Sie spiegeln den Zeitgeist sowie einschneidende Erlebnisse wider und zeugen von der Kreativität der SängerInnen und KomponistInnen. So hat auch die Corona-Pandemie Gstanzln hervor gebracht. 

Video:

SchülerInnen aus dem Burgenland „gruben“ das Lied „Am See steht dos Wossa“ im Burgenländischen Volksliedarchiv im Rahmen eines Schulprojektes im Schuljahr 2019/20 aus, das dem Thema „Natur im Volkslied“ gewidmet war. Den Text des ersten Gstanzls schrieb der Burgenländische Mundartdichter Eugen Mayer für das Steinberg Trio. Die übrigen Gstanzl stammen von den SchülerInnen der 8M-Klasse des Wimmer Gymnasiums Oberschützen, die sich mittels dem Dichten von Vierzeilern über Corona den Themen Natur, Umwelt, Klima und Gesellschaft widmen. Zeitaktuell im Video eingesungen, geben sie die Auswirkungen von Corona auf die Natur, die sich durch dem zeitweiligen völligem Erliegen des Verkehrs erholen konnte, wieder. Das Video zeigt, wie in der Coronazeit üblich, die SchülerInnen einzeln von zu Hause, die sich am Bildschirm zu einem Chor vereinen.  Am Bild sind die SchülerInnen beim Online-Unterricht im Coronajahr 2020 zu sehen.  

Im zweiten Teil des Videos ist die Familie Egger aus Oberösterreich zu sehen, die wie viele weitere Familienmusiken in diesem Zeitraum Gstanzln zum aktuellen Weltgeschehen, sprich Corona dichteten, auch um den Kindern die Zeit im Lockdown zu vertreiben und den fehlenden Musikunterricht zu ersetzen. Dafür verwendeten sie die Melodie eines bekannten Gstanzlliedes „Und jetzt gang i ans Petersbrünndele„.

 

Projekt:
More than Bytes – Notentexte via ABC
Schulen:
8M, Wimmer-Gymnasium Oberschützen
Zeitraum:
Schuljahr 2019/2020
Personen:
SchülerInnen, Lerpersonen, Referentinnen Burgenländisches Volksliedwerk
 
Projektbeschreibung:

Das Archiv des Burgenländischen Volksliedwerks beherbergt eine Vielzahl an Musik und Noten zur musikalischen Volkskultur Burgenlands. Das Projekt „More than Bytes“ ermöglichte den SchülerInnen aktiv mit alten Handschriften aus dem Archiv zu arbeiten und mithilfe neuester digitaler Darstellungsformen gemeinsam ein Liederbuch mit dem Titel „Es bliaht a Bliamal ganz alloan“ zu erstellen. Die SchülerInnen begaben sich gemäß dem Titel der Publikation auf die Suche nach burgenländischen Volksliedern, die in Verbindung mit Natur bzw. Naturereignisse stehen. Dafür recherchierten sie im Volksliedarchiv in Oberschützen und setzten sich auf verschiedensten Ebenen mit dem gefundenen Notenmaterial auseinander. Für die Publikation erstellten die SchülerInnen digitale Notenvorlagen mithilfe der ABC-Notation. Diese ist eine Möglichkeit, um Noten mithilfe von Buchstaben, Zahlen und Sonderzeichen aufzuschreiben und infolge mit weiteren technischen Schritten als Notenbild abzubilden und /oder als Ton abzuspielen. Durch die Diskussion der in den Liedern gefundenen Themen, Befragung von Zeitzeugen, künstlerisch-kreatives Variieren, Komponieren, Singen und Musizieren, Erfinden neuer Texte und eigener Interpretationsmöglichkeiten konnte eine Verbindung von Tradition und heutigem kulturellen Kontext angeregt werden.

Coronabedingt konnten nicht alle Projektvorhaben wie geplant umgesetzt werden, es zeigte sich einmal mehr wie machtlos der Mensch gegenüber der Kraft der Natur ist. So musste der Workshop mit der Gruppe „da Blechhauf´n“ abgesagt werden. Stattdessen erweiterte der Volkskundler und ehemalige Liedermacher Dr. Sepp Gmasz sein Programm und regte die SchülerInnen zu einer kreativen und experimentellen Auseinandersetzung mit dem alten Liedgut an. Auf diese Weise entstanden neue, zeitgemäße Liedschöpfungen, basierend auf alten Mustern. Dabei wurde das Lied „Am See steht dos Wossa“ mit eigenen Gstanzl-Texten, mit anlassbezogenen Versen zur Corona-Pandemie, erweitert und auf Video aufgezeichnet. Gstanzlmelodien eignen sich sehr gut, um eigene Verse zu dichten, das zeigt auch der zweite Teil des Videos mit der Familie Egger, die ebenfalls zu Corona Gstanzln verfasste.

 

 

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